Dankesrede Dr. Ziegler anlässlich der Verleihung des Saalburgpreis 2011 an ihn

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

ich bedanke mich bei Herrn Landrat Krebs und seinem Stab, dass er mich für diese Auszeichnung vorgeschlagen hat, beim Kreisausschuss, dass er diesem Vorschlag gefolgt ist und bei meinem Verein „Heimatstube Ober-Erlenbach e. V.“, dass er mich bei meinen Aktivitäten, die zu dieser Ehrung geführt haben, immer wieder mit Rat und Tat unterstützt hat.

 

Der Saalburgpreis wird seit 1992 für „herausragende Verdienste um die Geschichts- und Heimatpflege im Hochtaunuskreis“ verliehen.

 

Was aber ist diese „Heimat“, die von denjenigen, die mit diesem Preis ausgezeichnet werden, gepflegt wird? Sucht man nach  einer  Begriffsbestimmung in Lexika oder im Internet, dann stößt man - leider - schon bald auf ein gerüttelt Maß an Unklarheiten.

 

Der frühere bayerische Kultusminister Hans Zehetmair fasst das Problem in einem Beitrag mit dem Titel “Heimat heute” in einem Satz zusammen: “Es gibt in unserer Sprache wohl nur wenige Wörter, die so gepflegt und miß­braucht, so verherrlicht und gedemütigt, verdrängt und wiederentdeckt worden sind wie Heimat”.  

 

Solche Aussagen verwirren eher als dass sie nützen. Sie verwirren vor allen Dingen denjenigen, der die politische, soziale und kulturelle Szene beobachtet und dabei feststellt, dass das Thema “Heimat” gerade in den letzten Jahren einen deutlich spürbaren Aufwind bekommen hat. Vor allem bleibt offen, wo hier eigentlich der Heimatforscher gefragt ist und wo er mit seinen Forschungen zu einer Begriffsklärung beitragen kann.

 

Unbestreitbar wurde die Vorstellung von Heimat im Laufe zumindest der letzten eineinhalb Jahrhunderte immer wieder einem Beideutungswandel unterzogen.

 

Wurde sie noch im 18. Jahrhundert mit Heim oder Haus, in dem man im Regelfalle sein ganzes Leben verbrachte, gleichgesetzt, so kam es schon mit der industriellen Entwicklung im 19. Jahrhundert zu einem bis heute anhaltenden deutlichen inhaltlichen Wandel: die veränderten wirtschaftlichen und beruflichen Gegebenheiten ließen viele Menschen ihre Beziehung zur Heimat dort suchen, wo sie jeweils lebten und arbeiteten – wenn sie an einer solchen Suche überhaupt interessiert waren.

 

Gleichzeitig mit diesen Vorgängen bemächtigte sich die Politik der Heimat und setze sie mit „Vaterland“ gleich, für das man in letzter Konsequenz auch bereit sein sollte, freudig sein Leben zu lassen.

 

Das Dritte Reich missbrauchte die bei der Mehrheit der Deutschen vorhandene emotionale Bindung an die Heimat erst recht und in vielerlei Hinsicht. Ich erinnere hier nur an die menschenverachtende Forderung, eine sogenannte „Heimatfont“ „bis zum letzten Blutstropfen“ zu verteidigen.

 

Verständlicherweise verschwand der Heimatbegriff nach dem Krieg vorläufig aus der Wissenschaft, und nur die Vertriebenen beriefen sich weiter auf ihn. Bedarf war indes immer noch; denn viele Deutsche waren durch den Krieg und seine Folgen erst recht entwurzelt, und auch die wirtschaftliche Entwicklung der Nachkriegszeit stellte für weite Kreise der Bevölkerung einen festen Standort in Frage.

 

Die entstandene Lücke füllten Heimatfilme, Heimatromane und Heimatlieder, und dieser Trend hat bis heute angehalten. Vor allem im Fernsehen ist Heimat ein bloßes Phantom. Sie wird zu einem Phantasieprodukt degradiert, vermarktet und dabei bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Sie besteht aus Pappmaschee und Styropor und hat ihren Ort im Regelfalle in irgendeinem Studio. Was hier vorgeführt wird, ist eine Traumwelt, die an die Gefühle appelliert und den Verstand draußen vor lässt.

 

Der  klassische Heimatforscher kann dagegen einen konkreten und glaubwürdigen Bezug zur Heimat vermitteln und dürfte damit demjenigen entgegen kommen, der sich ihr nicht nur mit dem Bauch, sondern auch mit dem Kopf nähern will.

 

Auch diejenigen, die sich vom Heimatbegriff oftmals selbsternannter Deutschtumspropagandisten distanzieren wollen, werden die Arbeit der Heimatforschung sicherlich befriedigt zur Kenntnis nehmen. Das ist nicht neu; Heimatforscher gab es schon im 19. Jahrhundert, und ein von ihrer Arbeit geprägtes Heimatgefühl gewann vor allem in dessen letztem Drittel in manchen kleinen Gemeinden als Kontrast zum Hurrapatriotismus des neuen Kaiserreiches an Glaubwürdigkeit . Schon damals entstand im Vorder- und Hintertaunus eine ganze Reihe von Heimatvereinen.

 

Diese Überlegungen zeigen, dass die von mir eingangs aufgezeigten Unklarheiten längst nicht so problematisch sind, wie es im ersten Moment erscheinen mag. Man kann die Vorstellungen von „Heimat“ ohne Schwierigkeiten auf einen weiteren und einen engeren  Komplex reduzieren. Die weitere Heimat, die früher einmal „von der Maas bis an die Memel“ reichte, ist heutzutage für viele Deutsche immer noch eine Konstante. Die engere Heimat kann oder muss man allerdings immer wieder neu erwerben, vor allem, weil die modernen „Arbeitsnomaden“ häufig den Arbeitsplatz und damit verbunden auch ihren Wohnort wechseln müssen. Missbrauch wurde in der Vergangenheit immer wieder mit der weiteren Heimat, die häufig mit „Vaterland“ gleichgesetzt wurde, getrieben, während der Mikrokosmos der engeren Heimat davon weitgehend verschont blieb.

 

 Die Regeneration des Themas „Heimat“, die in den letzten Jahren erfolgte, wurde vor allen Dingen von den Medien, der Werbung und der Politik getragen. Sie betrifft eher die weitere Heimat und hat einen Schwerpunkt in der Aufwertung des Landlebens und einer Rückbesinnung auf das Natürliche. Mit der „Heimat“, die der Kreistag vor fast zwanzig Jahren meinte, als er den Saalburgpreis stiftete, hat das alles nicht zu tun. Die Heimatforschung in begrenzten geographischen, politischen und sozialen Einheiten ist und bleibt ein fester Wert. Sie kann zwar hier und da einmal  Schwankungen unterliegen, aber gerade in unserer schnelllebigen und globalisierten Welt, die das Individuum mehr verunsichert als stabilisiert, kann sie als konkrete und überschaubare Basis viel zu dessen emotionaler Stabilisierung beizutragen.

 

Die sogenannten "klassischen Heimatforscher", leben nicht nur in dem geographisch klar begrenzten Raum, den sie erkunden wollen, sondern sie sind ihm auch emotional verbunden, identifizieren sich mit ihm. Kurz: sie erforschen, und das durchaus mit kritischer Sympathie, eben diese ihre Heimat. Traditionelle Heimatforscher wollen ihre Heimat selber kennen lernen, ihren Wert aber auch ihren Mitmenschen bewusst machen, sie für die Beschäftigung mit diesem Thema aktivieren. Der Hochtaunuskreis hat für die heutige Auszeichnung mit dem Saalburgpreis zwei engagierte Exemplare dieser Gattung ausgesucht. Uns geht es - und damit spreche ich sicherlich auch im Namen von Herrn Groß - bei unseren Forschungen um mehr als um reine Wissensvermittlung. Wir sind weder den  Medien noch der Wirtschaft oder wechselnden politischen Strömungen verpflichtet. Unsere Zielgruppe sind die Individuen, denen wir helfen wollen, in dieser umtriebigen und oft bindungslosen Welt wenigstens im Bereich ihres Wohnortes auf der Basis sinnvoll und richtig verstandener Heimatliebe ein Refugium zu finden. Dazu können wir Heimatforscher und die in der Regel mit uns eng verbundenen Heimatvereine durch unsere Aktivitäten zur Erkundung der Geschichte unseres Lebensraumes sicherlich einen nützlichen Beitrag leisten.